Manchmal, wenn ich mich zurücklehne und durchatme, dann staune ich nicht schlecht. Meist über die rasante technologische Entwicklung, die noch vor wenigen Jahren als Science Fiction anmutende Elektronik heute zum täglichen Gebrauchsgegenstand macht. Oder auch über die Veränderungen im Geschäftsumfeld, die vielen Berufsleben, die jetzt einfach parallel und sich gegenseitig befruchtend in losen Netzwerken ein Arbeiten ermöglicht, wie es noch vor wenigen Jahren undenkbar war.
Am Freitag habe ich meinen 15 jährigen Sohn zum Flughafen gebracht. Er wird drei Monate in Chile sein, dort zur Schule gehen, sicher neue Freundschaften schließen, auch ein wenig Spanisch lernen – und ganz sicher bald wiederkehren als „Fast-Erwachsender“, der sich traut, eigene Entscheidungen zu fällen. Er lebt nun die nächste Zeit tausende Kilometer südwestlich auf dieser Erdkugel. Kaum erreichbar, wenn wirklich etwas ist. Es wird nichts sein.
Am Sonntag brachte ich mein geliebtes Eheweib zum Flughafen. Auch sie machte sich auf den Weg nach Südamerika. Geschäftlich versteht sich, sonst wäre ich ja dabei. In Bogota wird sie ein paar Tage arbeiten, einige tausend Meilen nördlich von Santiago. Weit weg und schon bald wieder zurück. Bis zum nächsten Abflug, nach Moskau, Peking, Dubai, Bangkog. Wo die Aufträge sie halt hinverschlagen.
Und so staune ich nicht schlecht. Mein Aktionsradius als Kind und auch als Jugendlicher war D-A-CH. Üblicherweise verbrachte ich den Urlaub als Kind wandernd im bayerrischen Wald. Als dann ein bisschen mehr Geld da war und die Schulden etwas weniger, da durften es auch die Alpen sein. Einen anderen Kontinent habe ich nie gesehen, aber interessanterweise auch nie vermisst. Eine „lange“ Reise war eine lange Autofahrt in die Schweizer Berge, ab Nürnberg konnte man Bayern 3 hören. Das war ein Happening. Heute ist eine lange Reise ein 24 Stunden Trip in einer fliegenden Metallröhre, multimedial unterstützt durch das Bordunterhaltungsprogramm, man kommt irgendwo an, die Hotels sehen überall gleich aus – aber man war mal da.
Beruflich war früher nur eine Elite so viel unterwegs. Mein Vater, selbständiger Unternehmer, hat vermutlich in seinem ganzen Berufsleben so viele Flugmeilen zurückgelegt wie ich sie heute in einem Jahr hinter mich bringe. Meine liebe Frau schafft das Pensum in ein bis zwei Monaten.
Ich könnte nun schwadronieren über ökologische Folgen. Wahlweise auch über den Irrglauben vieler Eltern, Reisen in die immer gleich aussehenden Resort auf andere Kontinente bedeute, dass die lieben Kleinen „weltoffen“ werden. Man könnte beklagen, dass die Kinder alle Flughäfen dieser Welt gesehen haben, aber keine Ahnung haben, wo Weimar liegt und welcher Fluss durch Dresden fließt. Ihre Eltern planen derweil, kaum sind die Kerle auf dem ersten Auslandstrip schon vorher gleich den nächsten. Ohne Auslands-Jahr nach der 10. verbaut man dem Kind ja die Karriere. Irgendwer muss ja unsere Rente zahlen. Nur Ignoranten und das Prekariat verweigern hier die notwendigen Mittel in fünfstelligen Höhen.
Und dann – einmal durchatmen – lehne ich mich wieder zurück und staune nicht schlecht. Wie klein dieser Planet geworden ist und wie schnell er sich dreht.
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