Ich habe sie alle sehr geliebt. Den Ernie. Den Bert. Und das Krümelmonster ganz besonders. Mein tägliches Abendprogramm als Kind hing aber anscheinend auch von der Gnade der Geburt am richtigen Ort ab. Harald Martenstein im Tagesspiegel:
Als die „Sesamstraße“ zum ersten Mal im deutschen Fernsehen lief, 1973, schaltete der Bayrische Rundfunk sich aus. Begründung: Die „Sesamstraße“ sei zu amerikanisch. Sie sei zu schnell und überfordere die Kinder, sie übe einen schlechten Einfluss aus. Als besonders kinderschädlich wurde die Figur Oscar empfunden, ein Monster mit grünem Zottelfell, das in einer Mülltonne lebte und ständig schlechte Laune hatte. Oscar liebte allerdings schlechte Laune, er liebte auch Dreck, er war sozusagen andersrum und sollte den Kindern beibringen, dass auch negative Emotionen normal sind. Sie sollten lernen, ihren negativen Emotionen gelassen gegenüberzustehen. Nicht in Bayern! Es dauerte Jahre, bis negative Emotionen für bayrische Kinder offiziell erlaubt wurden.
Das heißt, es gibt eine ganze Generation bayrischer Kinder, die anders aufgewachsen ist als die übrigen westdeutschen Kinder – ein großes Menschenexperiment. Der prominenteste Vertreter dieser Generation ist der Politiker Markus Söder, Jahrgang 1967. Er hat verlangt, in den Schulen regelmäßig die Nationalhymne zu singen, Kruzifixe aufzuhängen, Kopftücher zu verbieten, er ist oft sehr aufgeregt und schimpft, ihm fehlt jegliche Gelassenheit, seine negativen Emotionen betreffend. Wer den Einfluss der „Sesamstraße“ auf die deutsche Alltagskultur von heute studieren möchte, sollte sich mit Markus Söder befassen.
In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch Sesamstrasse, wir, die Dich sehen durften, gratulieren Dir!
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