Grautöne und bunte Vögel

Auch ich neige dazu, zu schnell die Stereotypen in meinem Kopf zu bemühen. Zu schnell packt man einen Menschen in eine Schublade, insbesondere wenn der Andere für Ärger sorgt und die Grenze zu meinem Vorgarten überschreitet. Man kramt in seiner Lebenserfahrung, man vergleicht intuitiv die gespeicherten Bildern von Personen, gleicht die Verhaltensweisen ab, und zack – hat man ein schlüssiges Feindbild.

Nicht selten finden sich dann Gleichgesinnte, die ebenso die Erfahrung mit diesem Menschen machen mussten und die damit die Wirkung noch verstärken. Insbesondere durch die Verbreitung im Netz.

Einer dieser Menschen stand heute vor der Tür. Und er entsprach nicht im geringsten meinen Erwartungen. Alles, was ich vorher von ihm wußte und was er mir bis dahin zuteil hatte werden lassen, passte überhaupt nicht zu dem Menschen, der vor mir saß und mir seine Lebensgeschichte erzählte. Ich hatte ihn offenbar an empfindlicher Stelle getroffen, und nun stand er mir gegenüber und bedankte sich bei mir. Für den Spiegel, der ihm vorgehalten wurde. Für den Anstoss zur Änderung. Kein Versuch, sein Verhalten zu rechtfertigen. Sondern die Bitte, ihn auch mit anderen Augen zu betrachten.

Die Welt ist nicht nur schwarz oder weiß. Dazwischen liegen jede Menge Grautöne. Und darüber fliegen die bunten Vögel. Die Erkenntnis ist nicht neu. Aber sie traf mich heute mal wieder sehr direkt.

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