Fremde Welten

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In Mos Eisley auf dem Planeten Tatooine treffen Reisende aus allen Ecken des Universums aufeinander. Varianten des mehr oder weniger intelligenten Lebens suchen in allen Sprachen des Universums Anschluss an den nächsten Raumtransport – sagen wir nach Alderaan.

Wer einen Vorgeschmack auf diese Zukunft erleben will, fliegt nach Dubai. Irgendwo in der Wüste eines erdähnlichen Planeten haben reiche Emire beschlossen, Terraforming zu betreiben. Kein vernünftiger Mensch würde auf die Idee kommen, hier Städte zu gründen. Zu heiß, im Sommer so gut wie unbewohnbar, zu wenig Wasser, kein fruchtbarer Boden. Aber Öl.

Mit dem Geld aus den versiegenden Ölquellen werden gigantische Imitationen amerikanischer Großstadtträume in die Wüste geklotzt, Geschäfte angekurbelt, Boden fruchtbar gemacht, Touristen ins Land geholt, Handelsrouten angezapft – um sich langfristig unabhängig vom Öl zu machen. So wie es aussieht, scheint dieser Plan zu funktionieren. Zwar ging dem Scheich auch schon mal das Geld aus, als er den Höchsten haben wollte. Wirtschaftlich macht ein über 800 Meter hohes Gebäude wie der Burj Khalifa zwar keinen Sinn, aber mit ein paar Lamborghinis vor der Tür kann man heute keinen mehr beeindrucken.

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Auf dem Weltraumbahnhof von Dubai reibt man sich derweil die Augen und kann kaum verstehen, was das für ein Menschenumschlagplatz von gigantischen Ausmaßen ist. Menschen aller Nationen, Hautfarben, Glaubensrichtungen auf der Durchreise, ein unendliches Sprachengewirr. In Dubai selbst bauen Amerikaner, kochen Schweizer, bedienen Inder – und Pakistanis und Philippinos schleppen Steine. In Dubai verschmilzt die ganze Welt zu einer merkwürdigen Masse, auf Zeit zusammengewürfelt, genährt von einem Finanzstrom, der seinen Ausgang an den Tankstellen des Westens genommen hat, dann unvollstellbare Reichtümer in den Händen weniger Scheichs gebildet hat und von dort aus seinen Weg über babylonische Bauprojekte nimmt, Heerscharen von Wanderarbeitern ohne Sozialversicherung finanziert, die jeden Tag an dieser Glitzerwelt bauen und vom geringen Lohn den Rest nach Hause an die Familien in ihrer armen Heimat überweisen. Ein merkwürdiger globaler Menschen und Geldverschiebeprozess, an dessen Ende seelenlose glitzernde Fassaden den Sandstürmen trotzen und sich Urlauber aus aller Welt durch klimatisierte Shopping-Malls wälzen, aus denen sie mit vollen Händen Waren von Marken heimschleifen, die es überall an jedem Ort der Welt auch zu kaufen gäbe, die weder hier hergestellt noch hier erdacht wurden, und auch nicht außerordentlich günstig sind.

Im Versuch, in den Wüstensand das neue New York zu pflanzen, werden gigantische Wolkenkratzer hochgezogen, dicht an dicht, obwohl keine Platznot herrscht. Alles wirkt, als hätte man die Wolkenkratzer wie mit Photoshop einfach um 50% gestreckt, wie Zahnstocher ragen sie in den Himmel und verleihen der Skyline ein breites Grinsen mit Zahnlücken und freilegenden Zahnhälsen – oft genug gibt es nicht mal einen Bürgersteig, zwischen Wolkenkratzer und Wolkenkratzer nur Wüstenboden. Der Stil ist schwer zu beschreiben, irgendwas zwischen Gotham-City und Blade Runner, so wie sich halt irgendein Bühnenbildner die Stadt der Zukunft vorstellt.

Dazwischen Ski-Hallen, St.Moritz Simulationen, gigantische Shopping-Malls. An den Stränden weißer Sand, klinisch, kein Seetang verschmutzt die Füße, keiner schneidet sich an einer Muschel. Es gibt einfach keine Muscheln. Alles ist clean. Es gibt wohl auch keine Kriminellen, es gibt auch keine fliegenden Händler am Strand. In der Metro ist ebenfalls alles antiseptisch. Frauen fahren unter sich. Kaugummi kauen ist verboten. Essen auch. Rauchen sowieso. Ob Ungehorsam mit Peitschenhieben bestraft wird, konnte ich nicht erfahren. In einem Staat, der im wesentlichen nach den Regeln des Geldes funktioniert, dürfte es vermutlich auch mehr zu Geldstrafen kommen.

Was macht man nun hier? Viele Menschen kommen her, arbeiten ein paar Jahre hier, und verschwinden wieder. Was Touristen hier machen, ist mir unklar. In Ägypten, auf den Kanaren oder in Tunesien liegen die gleichen Leute am Strand. Dort findet man vielleicht sogar nochmal ein echtes Dorf im Hinterland. Hier ist alles künstlich. Kultur spielt keine Rolle. Mal abgesehen vom einem nachgebauten Beduinen-Dorf oder dem Kamel-Museum. Ein Pferde-Museum gibt es auch.

Diese Welt ist mir fremd. Ich habe versucht, sie mit frischen Augen zu sehen. Es ist mir nicht gelungen. Vielleicht ist diese Künstlichkeit das neue Leben. Denn was ist schon „echt“?

Irgendwo in einer der unendlich langen, auf Soukh getrimmten klimatisierten Shopping-Malls stehen wir unter einem künstlichen weiß-blauen Himmel vor einem Brunnen. Der Brunnen könnte genau so in Rom stehen. Er ist sicher genau so „schön“, aus den Löwenmäulern sprüht das Wasser. Es könnte ein Bernini sein. Es ist natürlich eine Kopie. Was macht den Unterschied aus? Was ist „echt“? Wir alten Leute argumentieren dann: Kontext! In Rom steht er richtig und wir sagen „ah“ und „oh“, weil dort 2.000 Jahre Geschichte auf uns runter schauen. Das bedeutet aber offenbar nicht allen etwas.

Als wir auf der Rückreise in Zürich ankommen, geht über den schneebeckten Gipfeln der Alpen gerade die Sonne auf. Strahlend blauer Himmel, ein paar weiße Wolken. In der Transfer-Metro kitschige Almjodler und der Sound von Kuhglocken. Man riecht fast das Gras auf der feuchten Wiese vor der Hütte am Morgen.

Ich fürchte, ich bin hoffnungslos altmodisch.

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