Elektrolux

 

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Ein Beitrag geteilt von Alexander Kluge (@alecmcint) am

Damals, am 31. März 2016 um kurz vor Zehn, standen Menschen am Kurfürstendamm in zwei Warteschlangen. Die einen warteten auf das neue iPhone 5 SE vor dem Apple Store. Und die anderen waren bereit, 1.000 Euro Reservierungsgebühr im Tesla Store für ein Auto zu bezahlen, das bisher weder zu sehen war noch irgendwer probefahren konnte. Hergestellt von einem Unternehmen, das bisher nur wenige Elektro-Luxusautos gebaut und noch nicht gezeigt hatte, dass er pünktlich liefern und Masse herstellen konnte.

„Aua“ schrub der Volker im Kommentar, als er uns fröhlich pfeifend nicht wenig Geld ausgeben sah. Und auch heute noch gehört es bei führenden meinungsbildenden Bloggern zum guten Ton, eben genau nicht zum Tesla Fanboy zu werden. Die Argumente laufen ähnlich wie zwischen Apple und Android Jüngern, allerdings sind es andere Gruppen die sich gegeneinander in Stellung bringen. Nach dem Model 3 Auslieferungs-Event vor ein paar Wochen ging es richtig los. „Das sind keine Serienfahrzeuge, alles Lüge!“, „Seht ihr, von wegen 35.000 $“.  Gleichzeitig schwappte #Dieselgate über das Land („Elektromobilität ist aber auch alles andere als Öko!“) und die Argumentations-Schlacht nahm bizarre Formen an.

Jeder musste nun offenbar seinen Senf dazu geben. Und weil schon alles gesagt ist, nur noch nicht von mir, folgt hier mein Kommentar.

Die Diskussionen der letzten Wochen zum Thema Elektromobilität gingen online und offline ungefähr so – und bitte vor den Listpunkten  immer ein deutliches „Ja, aber!“ einsetzen:

  • „Von wegen 35.000 $, jetzt kostet das Model 3 ja doch 50.000 $“ – Ja, genau. Das nackte Basismodell kostet 35.000 $ , genau wie Musk es angekündigt hat. Und wie bei jedem deutschen Autohersteller kann man dickere Schlappen oder mehr Leistung mit mehr Geld bezahlen. Und ja, ich habe viel Verständnis dafür, dass Tesla erstmal die teurere Variante baut mit der längeren Reichweite. Wer die Basisversion will, kann ab Mitte nächsten Jahres mitspielen.
  • „Der Strom aus Deiner Steckdose ist genauso dreckig wie aus meinem Verbrenner“  – Hach, da können wir uns nun mit Links auf Studien bis zum Umfallen bewerfen. Richtig ist erstmal, dass ich mir Ökostrom zu Hause leiste. Und richtig ist auch, dass nur der Strom aus meiner Steckdose über die Jahre immer grüner wurde. In Deutschland wird der Energiemix grüner, und auch wenn er nicht ganz grün ist, und Kohlekraftwerke noch vor sich hin-idlen, mein Verbrenner wird nicht schrittweise sauberer werden über die Lebensdauer hinweg. Ja, nur ein bisschen sauberer sind die e-Fahrzeuge heute. Aber wenn alle ein bisschen mitmachen, dann wird kann es schließlich nur besser werden.

    „Ein Fahrzeug mit Stromsteckdose ist so klimaverträglich wie die Kilowattstunden, die es antreiben. Je CO2-ärmer die Stromerzeugung wird, desto sauberer sind Elektrofahrzeuge unterwegs. Jedes zusätzliche Windrad, jede zusätzliche Kilowattstunde aus neuen, immer billiger werdenden Fotovoltaikanlagen schlägt sich deshalb unmittelbar in einer Verminderung der Emissionen nieder, die den E-Autos zuzurechnen sind. Ein ähnlicher Dekarbonisierungsprozess ist bei den flüssigen oder gasförmigen Kraftstoffen für Pkw-Verbrennungsmotoren nicht in Sicht“ (Zitat aus der ZEIT)

  • „Die Produktion der Batterien schadet der Umwelt viel mehr als mein A6 in seiner ganzen Lebensdauer“ Auch dazu kann man sich je nach Gesinnung mit unterschiedlichsten Studien bewerfen. Richtig ist aber, dass wir momentan noch gar nicht abschätzen können, wie die gesamte Ökobilanz sein wird. Bei den Batterien rechnet man gerne Rohstoffabbau und aufwändige Fertigung hoch, vergißt aber Betrieb und Versorgung des Tankstellennetzes, ökologische Kosten der Ölforderung, verschweigt, dass die neue Gigafactory von Panasonic und Tesla, die die Batterien für die Teslas herstellen wird, den für die Fertigung benötigten Strom aus Solarstrom beziehen wird (ja, die Solar-Panele sind noch nicht auf dem Dach zu sehen, ja, die vorgelagerte Fertigung ist nicht 100% regenerativ, ja und ja, aber hier ist wenigstens die Chance, dass die Kette irgendwann weitgehend unabhängig von Öl ist.)
  • „Zwei Tonnen Blech mit Batterien durch die Gegend zu bewegen, ist schon an sich Ökofrevel“ – Stimmt. Die ökologischste Form der Fortbewegung ist die Bewegung mit Muskelkraft. Und natürlich könnte man auch einen Twizzy kaufen, der nicht so viel Ballast mit sich rumschleppt. Nun, wir brauchen derzeit ein Auto. Nicht zwei. Das zweite gibt es schon seit Jahren nicht mehr. Wir haben DriveNow, Car2Go, Bahn, ÖPNV, Fahrrad. Reicht. Aber unser Lebensmodell ist derzeit noch so ausgerichtet, dass es eines Autos bedarf. Auch das mag sich ändern. Aber wenn es ein vollwertiges Auto sein soll, dann soll es vollwertiger Ersatz sein und kein Spielzeug.
  • „Elektromotoren? So ein 3 Liter Turbo-Diesel, DAS ist ein Stück deutsche Ingenieurskunst!“ Ja, mag sein, aber dieses komplexe Konstrukt aus vielen tausend Einzelteilen, das Benzin braucht, mit Öl geschmiert werden muss, Zündkerzen, Abgasreinigung, Kühlung und entsprechende Wartung wird irgendwann noch voll retro sein, aber es ist vorbei. Vorbei. Das sagt jemand, der seinem alten Saab 900 immer noch hinterher weint und beim Anblick und Sound eines Käfer Cabrios immer noch sehnsüchtig an seine Jugend zurückdenkt. Nostalgie. Aber vorbei.
  • „Wie soll ich denn da von Garmisch nach Flensburg kommen?“ Man kommt von Garmisch nach Flensburg. Mit einem Tesla S ist neulich ein Fan zum ersten Mal über 1.000 km mit einer Ladung gefahren. Ja, es war ein P100D, und der kostet viel, und ja, seine Innenaustattung war um jeden Ballast reduziert worden, aber hey, wir stehen  erst am Anfang der Entwicklung! Wie lange haben denn die Motorbauer gebraucht, um die hochgezüchteten Maschinen auf das heutige Niveau zu heben? Zwootens: Die komplette deutsche Autoindustrie hat sich von einem durchgeknallten Unternehmer aus dem Silicon Valley zeigen lassen müssen, wie man in ganz Europa ein dichtes Netz an Schnellladestationen einrichtet. Mit dem Tesla durch Europa? Kein Problem. Eine Freundin von uns fährt seit zwei Jahren einen Tesla S durch Deutschland. Ja, man muss mehr Zeit einplanen. Und der eine oder andere lästert, dass dann die teuren Schlitten mit 120 bei optimaler Geschwindigkeit vor sich hinschleichen, um Reichweite zu optimieren – so what? Wenn das Ding dann auch noch von alleine fährt, mache ich meine Korrespondenz derweil. Der Stress mit den testosterongeschwängerten BMWs mit 250 km/h auf der linken Spur hinter mit mit Lichthupe: Vergangenheit.
  • „Tesla ist wie Apple nur Spielzeug der digitalen Boheme“ – Ach, dieser Krieg wird bei mobilegeeks oder beim Robert Basic in der Kommentarspalte geführt. iPhone Käufer sind willenlose Opfer einer Marke und zahlen freiwillig doppelte Preise für minderwertige Hardware, yadayada. Das passiert jetzt auch mit Tesla. Ja, man kann einen Nissan Leaf kaufen, oder einen Chevy Bolt. Apfel. Birne. Warum? Auch ein Elektro-Auto darf Luxus, und es darf auch schön sein. Ein anständiges, gut aussehendes Auto befriedigt erst einmal die Sinne. Sicher kann man geteilter Meinung über die Designsprache sein, man kann die Schlichtheit des Innenlebens wie Johnny neulich als die Wiedergeburt des Trabant 600 S sehen, man kann aber auch einfach skandinavische Schlichtheit hineininterpretieren. Warum auch immer die anderen Hersteller ihre Elektromobile schon optisch in die Schmuddelecke verorten müssen – keine Ahnung. Aber viel viel wichtiger ist doch ein anderer Punkt. Nur Tesla denkt das Auto als vernetztes System, als Plattform für Mobilität. Natürlich ist das Interieur schlicht, es gibt nicht mal ein Handschuhfach, in dem man etwas vergessen kann. Es gibt nur einen Bildschirm, keine zehntausend Knöpfe , die irgendwer verstellen kann. Es gibt keinen Schlüssel, keine Fernbedienung, keine mechanische Öffnung für Trunk und Frunk, also die Kofferräume. Es gibt eine Keycard bzw. eine App auf dem Smartphone zum Öffnen. Und warum? Merkt Ihr es? Das ganze Auto ist auf Sharing ausgelegt, sodass ich es bedenkenlos teilen könnte. Ja, es gibt noch kein voll autonomes Fahren auf unseren Strassen, sodaß der Wagen alleine seiner Mobilitäts-Arbeit nachgehen könnte. Noch nicht.  Aber nur der Tesla ist darauf vorbereitet und das Konzept ist darauf ausgerichtet. Und nur der Tesla wird auf Knopfdruck in der Lage sein, während ich ihn nicht brauche, Geld zu verdienen. Fremde Leute in Deinem Auto? Unvorstellbar? Ich kann mir das gut vorstellen. Ich nutze ständig fremder Leute BMW, Minis, X1 oder Smarts – mit DriveNow oder Car2Go. Zur Sicherheit ist dann auch eine auf die Insassen gerichtete Innenkamera verbaut, wenn man wirklich mal wissen will, wer da in meinem Wagen rumgesaut hat. Schlechte Bewertung, sperren, fertig. Das ganze Konzept Auto ist von Tesla einfach weitergedacht als es derzeit jeder andere Hersteller tut, die noch daran festhalten, dass in Zukunft alle nur Ihr eigenes Auto fahren wollen, immer und ewig ein Lenkrad haben wollen und natürlich selber Gas geben wollen. Auch mir macht sowas zugegeben Spaß. Aber in Zukunft wird das keine Rolle mehr spielen.

Und noch was zum Thema wie viele Arbeitsplätze doch am deutschen Verbrenner hängen und wir müssen auch an die Konzerne und Lieferanten als Arbeitgeber denken. Nein. Wettbewerb tut gut, auch wenn er erstmal Arbeitsplätze bei den etablierten Playern kostet. Ich war einer der ersten, der sofort D2 Mannesmann Verträge abgeschlossen hat, als es losging mit dem Mobilfunk. Ich wußte, das Netz wird nicht so gut funktionieren wie D1 Telekom, aber ich wollte ein Zeichen für Wettbewerb setzen. Das taten wir mit unserer Firma auch sofort im Festnetzbereich, als es möglich wurde. Ich glaube, dass man gelegentlich den etablierten Marktteilnehmern Feuer unterm Hintern machen muss.

Mein Vater war damals in den 80er Jahren der Meinung, dass die Japaner zuverlässigere Autos zu einem besseren Preis als die deutschen Autobauer liefern. Er kaufte sich statt eines miserabel ausgestatteten BMW einen top ausgestatteten Nissan für uns als Familienwagen, vollgestopft mit Technik, die es damals serienmäßig bei Japanern, nicht aber bei den deutschen Herstellern gab. Einer seiner Mandanten, ein mittelständischer Unternehmer, verbannte ihn und diejenigen Mitarbeiter, die japanische Wagen fuhren, vom Hof. „Wir müssen draussen bleiben“. Der Schnappreflex war der gleiche wie heute: Die Japaner fluten unseren Markt, die deutsche Auto-Industrie geht kaputt. Aber nicht die Japaner waren schuld an dem Desaster, sondern die wenig innovativen, satten deutschen Autobauer. Und heute ist auch nicht Elon Musk, die böse #DieselGate Verschwörung oder sonstwer schuld, dass es uns mal wieder ein Ausländer zeigen muss. Es sind die verschlafenen Seilschaften bei den deutschen Autobauern, die mir für ein Karten-Update eines Bord Entertainment User Interfaces, das heute noch aussieht wie ein MS-DOS Prompt, 1.000 Euro abnehmen wollen. Auch daher haben wir uns bewußt entschieden, Elon Musk ein paar tausend Euro zu leihen, die ja auf der Bank auch keinen Zins bringen. Und ich werde ihm auch verzeihen, wenn das Spaltmaß nicht dem Standard deutscher Perlen des Autobaus entspricht. 

 

Update: Der Herr Dahlmann fasst nochmal unaufgeregt zusammen:

DIESEL VS. ELEKTROMOTOR – UND JETZT HOLEN WIR ALLE MAL TIEF LUFT

 

 


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