Alexander Kluge und ich

Als meine Mutter nach meiner Geburt vom Standesbeamten gefragt wurde, wie der Kleine denn heißen solle, antwortete sie „Alexander“. Damals, in den 68ern, war der andere Alexander Kluge schon ein großer Name und wichtiger Repräsentant des deutschen Films. Und ich ein kleiner Säugling. Bereits im Krankenhaus wurde meine Mutter gefragt, ob sie mich denn nach DEM Alexander Kluge benannt habe. Nein, ganz sicher nicht, lautete die entrüstete Antwort.

Seitdem verfolgt mich Alexander Kluge. Jeder gut gebildete Gesprächspartner forscht nach der Nennung meines Namens sofort nach meinem Verwandschaftsgrad zu DEM Alexander Kluge. Es gibt, so weit mir bekannt, keine gemeinsame Linie in unseren Stammbäumen.

Gelegentlich kamen wir uns allerdings schon näher. Auf der Hochzeit eines guten Freundes wurde ich vor einigen Jahren einer sehr netten Dame vorgestellt. Bei der Nennung meines Namens lachte sie lauthals auf und verlangte, ein Bild von ihr und mir zu machen. Ihr Name war Margarethe von Trotta und einer ihrer Freunde ist eben jener andere Alexander Kluge. So entstand ein Bild von Margarethe von Trotta und einem anderen Alexander Kluge, welches sie ihrem Freund dann zeigen wollte. Ich habe das Bild nie gesehen. Ich hoffe, ich bin gut getroffen.

Einmal rief mich das Büro von Alexander Kluge an und fragte, ob ich bereit wäre, meine Internet-Domäne „new.kluge.de“ abzugeben. War ich aber nicht. Teilen wollte ich allerdings schon. Das wollte er aber nicht. So findet man ihn nun unter „http://www.kluge-alexander.de„.

Ungezählt sind seither die Versuche, mich per Mail zu Filmprojekten zu überreden, meine Aufmerksamkeit auf neue Veröffentlichungen zu lenken oder mich zu Symposien einzuladen. Besonders schön war die Idee eines Journalisten, mich und ihn zu einer gemeinsamen Podiumsdiskussion einzuladen. Ich habe nie wieder etwas von dem Projekt erfahren. Ich hätte gerne zum Erfolg beigetragen. Wahrscheinlich wollte er nicht.

Als wir nun gestern mit Rucksäcken, Muskelkater und sichtbar wenig Schlaf aufgrund einer viel zu kurzen Hüttennacht an der Rezeption des Schloss Elmau standen, war es daher wenig verwunderlich, dass die Dame sich über meinen Namen wunderte. Ich erwartete die übliche Nachfrage, ob ich mit DEM Alexander Kluge verwandt sei.

Aber es kam viel besser: Ich war bereits eingecheckt. Vielmehr hatte er eingecheckt. Weil er hier eben schon seit 20 Jahren eincheckt, wie ich hinterher erfuhr. Hier schreibt er, hier trifft er andere intellektuelle Größen.

Ich muß zugeben, dass mich das ziemlich nervös machte. Spricht man ihn an? Macht man sowas? Ich kam zu dem Schluß, dass sich das nicht gehört – und wurde auf eine harte Probe gestellt. Denn kaum lag ich in der Sauna splitterfasernackt, kam er herein. Zwei Alexander Kluge, nackt wie Gott sie schuf. Der eine seit 40 Jahren unwissend ständiger Begleiter des anderen. Der andere höchtswahrscheinlich ahnungslos. Wer weiß, ob er jemals von der Begegnung mit Frau von Trotta erfahren hatte. Und wenn, wie sollte er sich an ein Bild erinnern und dies in Einklang bringen mit einem mittlerweile um 15 Jahre gealterten Mann, der ihm nackt in der Sauna gegenübersitzt.

Heute ärgere ich mich ein wenig. Er wird sicher nicht mehr so schnell meinen Weg kreuzen. Gut, so nah muß man sich ja auch nicht gleich wieder kommen. Aber so ein Gespräch von Alexander Kluge zu Alexander Kluge, das hätte mir schon gefallen.

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