Abschied von Tempelhof

Abschied von Tempelhof

Letzten Dienstag, morgens gegen 9:00 Uhr, kam der Anruf, dass die Wolkendecke über der Stadt bis unter die Grenze von 3.000 Fuss reicht. Keine Sichtflugbedingungen, der Start wurde abgesagt. Gut, das konnte ich einsehen. Immerhin hatte ich zum Geburstag meines Jüngsten auch noch Plätze am letzten Freitag gebucht. Da sollte das Wetter besser werden, um ein letztes Mal mit dem Rosinenbomber von Tempelhof zu starten. Am Donnerstag abend dann wieder ein Anruf. Maschinenschaden. Das wollte ich dann weniger einsehen und auch nicht recht glauben. In meiner Phantasie malte ich mir einen saudischen Ölscheich aus, der kurzerhand einfach mal alle Flüge mit viel Geld weggebucht hat.

Für meinen Jüngsten war es eine Katastrophe, er heulte bitterlich, hatte er doch schon die DC3 als Spielzeug-Modell durch die Wohnung geflogen und sollte nun um seinen Flug gebracht werden. Alternativ wurde uns der Samstag abend angeboten – aber da waren meine beiden Racker schon nicht mehr bei mir. Die Tränen taten weh.

Gestern fuhren wir dann dennoch nach Tempelhof. Und wieder hing die Wolkendecke tief über der Stadt. Den ganzen Tag sprach der Wetterdienst von Aufhellung, aber das Vertrauen in die Zuverlässigkeit von Wetterprognosen war eh schon erschüttert. Als wir eintrafen, waren alle Flüge des Tages bereits abgesagt, man hoffte aber, den 17:30 Flug doch durchführen zu können. Während unter anderem die betagte Antonov ständig zu Kurzflügen abhob und wieder einflog, ging bei der DC3 nichts. Der Kapitän trat schließlich vor die Passagiere, entschuldigte sich mehrfach und erklärte, dass die Wolkendecke weiter zu niedrig hänge um das Versprechen eines „Rundflugs“, bei dem man als Passagier schließlich auch so etwas wie „Sicht“ erwarten könne, einzulösen zu können. Das sei man seinen Kunden schuldig.

Damit sah ich nun auch den dritten und letzten Versuch scheitern. Ein Mitreisender hatte schon den vierten Versuch hinter sich, ohne jemals mit dem betagten Fluggerät abheben zu können. Schließlich kam der Vorschlag, dass wir wenigstens alle im Rosinenbomber Platz nehmen könnten, der Pilot sagte, er würde auch die Motoren anschmeißen und mit uns zum Start rollen. „Mal sehen, was dann passiert“, sagte er. So betraten wir die alte schummrig beleuchtete Maschine, 25 Passagier warteten, was dann passiert.

Abschied von Tempelhof

Was dann passierte, war ein großes Glück. Denn die Controllerin wies den Piloten an, zu starten. So kamen wir zu einem letzten Start in Tempelhof. Unter der tief hängenden Wolkendecke navigierte der Pilot die dröhnende Maschine in einer Linkskurve über Steglitz hinweg um wenige Minuten später auf der gleichen Piste wieder zu landen.

Was ich daran erwähnenswert finde, ist die Tatsache, dass Air Service Berlin und der Pilot dies als „Kundenservice“ taten. Wir bekamen alle unsere Tickets zurück erstattet, weil eben kein „echter Rundflug“ möglich war, wie er gebucht war. Bedenkt man, dass die laufenden Motoren der DC3 jede Minute 80 Euro verbrennen, dann ist das ein ganz außergewöhnlicher Kundenservice, und das sollte hier deutlich gesagt werden. Die Mitarbeiter und Crew waren außergewöhnlich freundlich, und meinen stillen Vorwurf, dass hier wahrscheinlich keine „technische Probleme“ den Freitagsstart verhindert hatten, zog ich sofort zurück.

Neben den sichtlich bewegten Fluggästen waren auch die Mitarbeiter des Flughafens sichtlich bewegt. Als ich als Letzter noch Bilder am Rollfeld schoß, begegnete mir eine Kollegin des Bodenpersonals mit Tränen in den Augen. Sie hatte eben gerade die letzte Brüssel-Maschine abgefertigt.

Wie schade, dass meine beiden Jungs das nicht mehr erleben konnten.





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