Abgefahren und noch nicht ganz angekommen.

481 Kilometer liegen zwischen Burgos und Santiago de Compostela. 20 Tagesreisen liegen zwischen Burgos und Santiago de Compostela. Sommerhitze und Herbststürme liegen zwischen Burgos und Santiago de Compostela.

Man passiert tagelang flaches Land, erträgt die Monotonie der Weizenfelder, später der Maisfelder und der Weinberge. Wunderbare Dörfer, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, wechseln sich ab mit großartige Kathedralen in alten Städten. Häßliche Vorstädte und Armut stehen dem Farbenreichtum der Landschaft gegenüber. Und dann findet man sich unvermittelt wieder in galizischen Nebeln und bergigem Terrain.

Zu Fuß reisen heißt langsam reisen. Die Veränderung treten allmählich ein. Man rauscht nicht vorbei, man nimmt die Veränderungen intensiver wahr. Die Veränderungen des Landes, aber auch die eigene Veränderung. Die nachlassende Kraft nach der Euphorie der ersten Tage. Die Schmerzen, die sich von einem Körperteil zum nächsten die Klinke in die Hand zu geben scheinen. Die Wahrnehmung, die sich erst allmählich auf die Langsamkeit der Reise einstellt. Und die Seele, die sich erst langsam in dem übt, was der Sinn dieses Weges auch sein mag: Demut zu lernen. Demut vor den Herausforderungen des Weges, Demut vor der Leistungsfähigkeit des eigenen Körpers und der Seele. Demut vor den Dingen, die wir nicht mit Gewalt ändern können. Demut vor den einfachen Dingen dieses Weges – und des Lebens.

Es sind die kleinen Dinge, die eine solche Pilgerreise zu einem unvergeßlichen Erlebnis machen. Auch wenn man nicht aus religiösen Gründen auf diesem Weg ist, so macht doch fast keiner eine solche Reise aus rein sportlichen Gründen. Die Menschen, die man trifft, stehen oft an Wendepunkten ihres Lebens. Für viele beginnt dieser Weg nicht erst mit dem Antritt der Reise sondern schon lange vorher. Viele haben sie sich so wie ich schon Jahre mit dem Gedanken an diesen Weg beschäftigt. Und wenn man in der Kathedrale von Santiago endlich die Büste des Jakobus dem Ritual entsprechend umarmt, die Hand auf die Säule legt, auf die seit 1000 Jahren die Menschen ihre Hände sichtbar drücken, dann weiß man doch: Die Reise ist hier keineswegs zu Ende.

Die Reise ist nicht zu Ende. Sie geht weiter. Und hier in diesem Blog soll es nun auch – langsam – weitergehen. Ich komme gerade erst wieder an.


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